Die Rotary Clubs sammeln Geld und leisten Sensibilisierungsarbeit, um die Welt von Kinderlähmung zu befreien
Wir sind stolz auf unsere Rolle als Vor- und Querdenker, als eine Kraft, die neue Wege einschlägt - und vorangeht, wenn es sein muss. Das haben wir mit unserer seit 1979 laufenden Poliokampagne bewiesen. Wir sind kurz davor, diese Krankheit weltweit für immer auszurotten.Bei all diesen Initiativen haben wir bewiesen, was wir können.
Unauffällig, ohne große Presse und ohne großes Aufheben. Und unsere Bilanz kann sich sehen lassen: fast 90 Prozent aller Spenden an uns gehen an Programme, nicht an einen Verwaltungsapparat.
Der letzte Erfolg der Initiative ist die Tatsache, dass ganz Afrika seit einem Jahr poliofrei ist. Da nach den WHO-Statuten drei volle Jahre ohne einen weiteren Fall von Kinderlähmung vergehen müssen, bevor ein Kontinent als von Polio befreit zertifiziert werden kann, hoffen wir nun darauf, dass dies 2017 geschehen kann.
Trotz dieser Erfolge ist die Aufgabe weltweit noch nicht zu Ende. Denn in Pakistan and Afghanistan hält sich das Virus noch hartnäckig, und Wiedereinschleppungen können sich in kürzester Zeit wieder ausbreiten. Das betont auch Dr. Tunji Funsho, der Vorsitzende des nigerianischen Landeskomitees für die Polio-Initiative: „Wir dürfen jetzt bloß nicht mit unseren Anstrengungen nachlassen. Wir müssen weiter impfen. Denn solange sich das Virus noch irgendwo auf der Welt verbreiten kann, ist es nur eine Flugreise von uns allen entfernt.”
Wir sind ganz nah am Ziel
In Belgien gibt es eine Pflichtimpfung. Doch weltweit ist der Kampf gegen die Viruskrankheit noch nicht gewonnen. „Dabei sind wir ganz nah am Ziel“, sagt Freddy Genten vom Rotary Club St.Vith-Eifel. Die Serviceclubs sammeln seit Jahren Geld und leisten Sensibilisierungarbeit, damit die Welt von Kinderlähmung befreit wird.
Der Kampf gegen die Kinderlähmung („Polio“) ist das größte Projekt in der langen Geschichte der Rotary. Im Rahmen von „PolioPlus“ wird Geld für einen Fonds gesammelt und Hilfsorganisationen zur Verfügung gestellt. „So ist es seit Mitte der 80er Jahre mithilfe wichtiger Partner wie der Weltgesundheitsorganisation WHO und Unicef gelungen, den größten Teil der Welt durch massive Impfkampagnen von Kinderlähmung zu befreien“, sagt Freddy Genten, der als Koordinator der Aktion beim Rotary Club St.Vith-Eifel fungiert. Zusammen mit dem anderen deutschsprachigen Rotary Club aus Eupen wird aber nicht nur Geld gesammelt und weitergegeben, sondern auch Sensibilisierungsarbeit geleistet. Beispielsweise zum Weltpoliotag, der am Montag (28. Oktober) begangen wird.
Finanziell läuft das Ganze folgendermaßen ab: „Konkret zahlt jeder Rotaryer 25 Euro pro Jahr in den Fonds ein. Dieser Beitrag wird durch die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung auf 75 Euro verdreifacht. Mit dem Geld werden auch Forschungsunternehmen oder Universitäten in Belgien unterstützt“, erläutert Freddy Genten. „Auch wenn die Kinderlähmung aus dem Blickwinkel der großen Aufmerksamkeit verschwunden ist, gibt es sie noch. Solange immer wieder Fälle bestätigt werden, ist Polio nicht ausgerottet“, fügt der Koordinator hinzu.
Erste Krankheitszeichen der Kinderlähmung sind grippeartige Symptome. Später kann es auch stufenweise zu den Lähmungen kommen, die der Krankheit ihren Namen gegeben haben. Lähmungserscheinungen betreffen hauptsächlich die Beine. Polioviren werden in erster Linie durch eine Schmierinfektion übertragen, aber auch durch Tröpfcheninfektion, beispielsweise beim Sprechen oder Niesen. Eine Therapie gegen die Ursachen gibt es nicht, es können nur die Symptome behandelt werden. Der beste Schutz gegen eine Infektion ist deshalb die vorbeugende Impfung.
Trat die Krankheit früher noch weltweit auf, ist sie inzwischen durch weltweite Impfprogramme zurückgedrängt worden. Europa gilt seit 2002 laut Weltgesundheitsorganisation als poliofrei. In Belgien wurde der letzte Fall von Kinderlähmung laut Angaben des Zentrums Kaleido Ostbelgien im Jahr 1979 gemeldet. „Es gibt nur noch ganz wenige Länder, in denen der Wildtyp I der Polioviren nachgewiesen wird. Darunter sind Afghanistan und Pakistan. Im Grenzgebiet der beiden Länder ist es wegen der unsicheren Lage besonders schwierig, Impfungen zu verabreichen“, erläutert Freddy Genten. Aber nicht nur die politische Situation spielt eine Rolle: Im vergangenen Sommer hatte Pakistan angesichts eines starken Anstiegs an Fällen von Kinderlähmung eine weitere Notimpfkampagne gestartet.
Problematisch war, dass sich viele Familien weigerten, ihre Kinder impfen zu lassen. Hintergrund sind Gerüchte, der Impfstoff würde eingesetzt, um muslimische Kinder unfruchtbar zu machen oder gesundheitliche Probleme zu verursachen.
„Grundsätzlich ein Problem, dass Impfgegner Falschmeldungen verbreiten.“
„Es ist natürlich grundsätzlich ein Problem, dass Impfgegner Falschmeldungen verbreiten oder die Gefahren von Nebenwirkungen, die nur ganz selten vorkommen, aufbauschen“, meint Freddy Genten. Letztes Jahr noch hatte ein UN-finanziertes Polio-Impfprogramm dabei geholfen, die Ausbreitung der Krankheit in Pakistan zu kontrollieren. Eine Erfolgsmeldung kommt derweil aus Nigeria: In dem afrikanischen Land ist seit drei Jahren kein Polio-Fall mehr registriert worden. Die Kinderlähmung gilt damit in ganz Afrika als ausgerottet.
Die Polioimpfung ist seit 1967 die einzige Pflichtimpfung in Belgien. Eltern müssen spätestens bis zum 18. Lebensmonat ihres Kindes nachweisen können, dass ihr Kind die vier Impfdosen erhalten hat. Die Impfdosen werden laut Empfehlungen des Hohen Gesundheitsrates beim Alter von zwei Monaten, drei Monaten und vier Monaten verabreicht. Hinzu kommt noch eine Nachholimpfung mit 13 bis 15 Monaten, erklärt Murielle Mendez, die bei Kaleido Ostbelgien als Koordinatorin für die gesundheitliche Entwicklung arbeitet.
Konkret muss die Familie ein Dokument bei der Gemeinde einreichen, vier Impfungen bestätigt. Auf dem Papier enthalten sind das Datum der Impfung und ein Stempel des Arztes. Wird dieses Dokument nicht hinterlegt und werden Mahnschreiben der Kommune ignoriert, schaltet sich die Staatsanwaltschaft ein. Die Entscheidung, ob es zu einer Zwangsimpfung oder zur Verordnung eines Bußgeldes kommt, obliegt schlussendlich einem Gericht. Die Eröffnung eines Verfahrens ist keine Seltenheit: Im vergangenen Jahr wurden 657 Akten eröffnet, seit Beginn des Jahres befassten sich die Staatsanwaltschaften mit 880 Fällen, wie die RTBF berichtete.